
Graugänse Beringen am Böblinger See
Seit Jahren schon beobachten wir die Graugänse in Böblingen. Die Seen sind voll von verschiedenen Wasservögeln. Einen großen Teil machen die Graugänse aus. Sie leben dort, brüten und ziehen ihre
Junge (Gössel) auf. Die Graugänse schwimmen auf den Seen, fressen das Gras auf den Wiesen und kacken die Wege voll – zum Leidwesen der Besucher*innen. Stören lassen sie sich kaum. Genauso
wenig wie Fredericke Woog aus dem Naturkundemuseum. Jedes Jahr beringt sie die Graugänse mit ihrem Team im Stuttgarter Umland – auch in Böblingen. Unsere NABU-Gruppe war dieses Jahr gleich mit
mehreren Mitgliedern dabei.

Ringe an den Beinen
Vielleicht sind dir die Ringe an den Füßen der Graugänse aufgefallen – vielleicht auch nicht. Aber jetzt kannst du danach Ausschau halten – zumindest sobald sie aus dem Wasser kommen. Aber nicht alle Graugänse tragen Ringe an den Beinen. Fredericke Woog ist Graugans-Expertin. Schon seit Jahren beschäftigt sich die Ornithologin vom Naturkundemuseum Stuttgart mit den Wasservögeln. Sie forscht. Und lässt dabei Interessierte jedes Jahr bei den Beringungsaktionen unterstützen – selbst Kinder (ab ca. 7 Jahren) nimmt sie begeistert auf und lässt sie mithelfen.
So auch am 10. Juni in Böblingen. Jede einzelne Person ist wichtig. Nur zusammen schaffen sie es die Gänse einzufangen und anschließend zu beringen. Doch der schönste Moment ist immer das gemeinsame Freilassen – alle zusammen Richtung See. Frederikes offene Art und das ganz besondere Erlebnis lassen die Helfer*innen immer wieder kommen. Schließlich ist es schon etwas Besonderes mal eine Graugans auf dem Schoß zu halten. Aber wie läuft sowas jetzt genau ab?

Wie fängt man Graugänse?
Zuerst einmal treffen sich die Helfer*innen und bekommen eine Einführung. Schließlich muss die Fangtechnik sitzen, sonst sind die Gänse zurück im Wasser und das Beringen wird nichts. Und was ist
jetzt zu beachten? In kleinen Grüppchen zusammen sein, die Gänse nicht beachten und auf den Wegen bleiben – wie ganz normale Besucher*innen eben. Sobald die Gänsefamilie nah genug ist muss ganz
schnell eine Kette gebildet werden (zwischen dem Wasser und den Gänsen), die sich schnell zu einem Kreis formiert, der immer enger wird. Ganz wichtig dabei ist, keinen Fluchtweg zu lassen, damit
ja keine Graugans entwischen kann. – Das wird fleißig geübt – mit Menschen, die Gänse spielen. Fühlt sich fast an wie bei Gruppenspielen auf einer Ferienfreizeit.
In der Übungszeit gehen bereits 2-3 Helfer*innen, die jedes Jahr dabei sind, los und kundschaften die Gegend aus. Schließlich kann man Gänse nur fangen, wenn sie nicht auf dem Wasser sind.
Beringt werden übrigens nur die Gänsefamilien mit Gösseln (das sind die Gänse-Küken). Die „Nicht-Brüter“-Gänse werden nicht beachtet. Wird eine
Familie entdeckt wird sie möglichst auf die Wiesenfläche weiter weg vom Wasser gelockt – sie werden mit Futter abgelenkt. Die Übungsgruppe wird informiert und schon wird losgelaufen und
eine Kette wird gebildet. Das ist der entscheidende Moment – wird die Familie gefangen oder versagen die Helfer*innen und die Gänse entwischen? Kleiner Spoiler: Alle angepeilten Graugansfamilien
konnten dieses Jahr gefangen werden. So gefangen im Kreis fragt ihr euch jetzt sicherlich „Hä? Das sind doch Vögel…. Warum fliegen die nicht einfach weg?!?“. Das ist eine sehr gute Frage! Die
Antwort: Die Gössel können noch nicht fliegen. Das kommt erst später. Und die Eltern befinden sich zu der Zeit gerade in der sogenannten „Mauser“. Das heißt die Federn an den Flügeln werden
ausgetauscht und solange können sie nicht fliegen. Das ist der Grund, warum genau dieser Zeitpunkt zum Beringen gewählt wird. Doch was passiert jetzt mit den Graugänsen, gefangen im
Menschenkreis? Es gibt genau zwei Möglichkeiten: 1) Es wird spontan ein Gehege um die Gänse aufgebaut – wie eine 8. Eine Seite für unberingte und eine, wenn sie fertig sind. Methode 2) Laufende
Säcke. Die Gänse sind tatsächlich entspannter, wenn sie weniger sehen können. Jede Graugans kommt in einen Leinensack bis alle beringt sind. Egal für welche Methode sich entschieden wird (in
Böblingen eigentlich immer die Säcke), betreut werden müssen sie auf jeden Fall. Auch hier gilt wieder: Jede helfende Hand ist wichtig. Außerdem machen beide Varianten aufmerksam und die Menschen
sind schließlich neugierig – warum auch nicht?

Wildtiere, Forschung und Sondergenehmigung
Während die Gänse ihre Ringe bekommen, werden Fragen beantwortet und erklärt was genau hier passiert. Schließlich sind Graugänse Wildtiere und dürfen nicht einfach gefangen werden. Für die
Beringung wird eine Genehmigung benötigt. Nur mit der Sondererlaubnis ist es möglich für die Forschung die Beringung durchzuführen. Selbstverständlich kann das auch nicht jede*r machen. Beringen
muss, wie vieles andere, gelernt sein und es gibt viele Regeln zu beachten. Für jede Vogelart gibt es bestimmte Ringe – die auf der ganzen Welt abgelesen werden können. Unsere Graugänse bekommen
zwei Ringe. Den offiziellen Ring der Vogelwarte aus Metall. Und einen weißen Plastikring mit großem Buchstaben und Zahlen, damit sie von der Ferne abgelesen werden können. Jedes Tier bekommt eine
eigene Buchstaben-Zahlen-Kombination zugeordnet (z.B. N31), damit es identifiziert werden kann – egal ob sich die Graugans am Böblinger See, in den Zugwiesen in Ludwigsburg oder an am Bodensee
aufhält. Mit dem Ablesen des Rings ist klar wo das Tier herkommt und Reiserouten können bestimmt werden (zumindest wenn die Daten gesammelt und ans Naturkundemuseum geschickt werden).

Daten sammeln für die Wissenschaft
Neben den Ringen werden noch ein paar andere Daten gesammelt – Ein Tropfen Blut zur Geschlechter- Verwandschafts- & Krankheits-Bestimmung (später dann im Labor). Dazu wird die Graugans am
Bein desinfiziert und mit einer sterilen Nadel gepickst. Das Blut wird mit einer Pipette und sterilen Spitzen aufgefangen und in eine Pufferlösung gegeben. Die Blutproben kommen ins Labor. Bei
den Erwachsenen Tieren werden zudem Körperteile vermessen und der Status der Mauser bestimmt. Und zum Abschluss werden alle Tiere gewogen.
Danach folgt natürlich der Schönste Teil: Das Freilassen. Dazu nimmt sich jede*r einen Sack. Es wird sich im Halbkreis in See-Richtung aufgestellt und die Gänse werden gemeinsam
freigelassen.
Helfer*innen herzlich willkommen
Für jede Aufgabe werden übrigens Helfer*innen benötigt und diese sammelt Frederike Woog jedes Jahr um sich. Per Verteilerliste werden alle informiert und per Doodle kann man sich für die Fänge
anmelden. So sieht Frederike Woog direkt, ob genug Menschen dabei sein werden oder ob nochmal gesucht werden muss. Außerden bekommen alle Angemeldeten kurz vor dem Fang nochmal alle Infos (wo
trifft man sich, fällt der Fang kurzfristig aus?).
Gefangen wird jedes Jahr im Mai/Juni an verschiedenen Standorten um Stuttgart (Max-Eyth-See, Mineralbäder-Seen, Zugwiesen Ludwigsburg, Vaihingen, Leonberg und Böblingen). Wer Interesse hat kann
sich auf den Mail-Verteiler setzten lassen und wird entsprechend informiert. Der letzte Fang 2025 ist am 16. Juni am Max-Eyth-See. Dann geht es in die Pause. Wer Interesse hat kann Frederike Woog
eine Mail schreiben und sich auf den Verteiler setzen lassen.

Kackende Gänse und alte Klamotten
Berührungsängste solltest du aber nicht haben, wenn du bei den Fängen dabei sein möchtest. Schließlich kommst du nicht nur den Gänsen ziemlich nahe. Ich empfehle außerdem immer "alte Klamotten"
anzuziehen oder ältere Outdoorsachen. Die Gänse kacken und treffen dabei regelmäßig Menschen - vorallem auf der Hose. Das muss man abkönnen. Trotz untergelegten Sack kommt das doch eigentlich
regelmäßig und immer vor. Das Outfit sollte hinterher auf jeden Fall gewaschen werden.
Falls dich das nicht abschreckt, solltest du unbedingt mal das einzigartige Erlebnis der Graugansberingung kennenlernen. Alleine die Geschichten zu erzählen, eine Gans auf dem Schoß zu halten
oder hinterher frei zu lassen lohnt sich. Tipp: gemeinsam macht es noch mehr Spaß. Am besten nimmst du gleich Freund*innen oder die Familie mit.
Zum Abschluss haben wir in Böblingen auch noch zwei Nilgänse gefangen und beringt. Der Fokus liegt zwar auf den Graugänsen, aber auch die Nilgans-Gössel sind spannend für die Forschung.
Fazit: Wir sind nächstes Jahr auf jeden Fall wieder dabei!